Schützengeist sprengte alle Ketten  

Die Auftragsverwaltung musste sich den Idealen „Glaube, Sitte Heimat“ beugen

Don, 1. August 2013
Heinsberger Zeitung / Beilage / Seite 38

Lebendig wie eh und je: Die Schützen im Selfkant, hier Schützen und Trommler in Höngen.
 

Wehr. Im Selfkant erlebte die Vereinswelt schon kurz nach Beginn der Auftrags-verwaltung einen enormen Aufschwung. Das Zusammengehörigkeitsgefühl der Ortsbewohner schweißte die Orte zusammen, durch die Gemeinschaft wurde auch die Verbundenheit zur deutschen Einheit demonstriert.

Die Auftragsverwaltung blickte mit Argusaugen auf das blühende Vereinswesen. Im gleichen Jahr wurde in Wehr die erste Kirmes unter holländischer Herrschaft gefeiert. Die Vorgaben der Verwaltung waren streng geregelt, um 23 Uhr war Zapfenstreich angesagt. 1950 fand dann das erste Dekanatsschützenfest der Selfkantvereine in Wehr statt. Die Bruderschaften blieben „deutsch“, gehörten weiterhin dem Dekanatsverband an. Die Niederländer wollten den Dekanatsverband sprengen, scheiterten aber am Schützengeist mit seinen Idealen Glaube, Sitte und Heimat.

Und so gab es vor dem Dekanatsschützenfest viele Schwierigkeiten. Der aus Wehr gebürtige und in Heinsberg lebende Diplom-Kaufmann Dr. Josef Heynen hatte die Idee, die Bruderschaften aus dem Heinsberger Land nach Wehr einzuladen. Die Bruderschaften zeigten auch ihre Bereitschaft und wollten somit nochmals ihre Verbundenheit mit dem seit dem 23. April 1949 abgetrennten Selfkantgebiet zeigen. Dr. Josef Heynen scheute keine Mühen und Opfer, die Auflagen der Auftragsverwaltung schienen erfüllt, alles war bis auf das Kleinste geregelt. So waren die Pässe bereits beschafft, die Omnibusse für die Bruderschaften bestellt. Doch im letzten Augenblick verwehrte die niederländische Sicherheitsbehörde die Teilnahme, weil sie offenbar eine Demonstration der Heinsberger Bruderschaften gegen die Abtrennung des Selfkants befürchtete.

Angespornt von Dr. Josef Heynen, rührte Schützenbruder Leo Corsten in Gangelter Raum mächtig die Werbetrommel und nach weiteren Gesprächen mit der Auftragsverwaltung durften die Gangelter Bruderschaften zum Selfkant einreisen.

Zwei Mark pro Schützenpass

Die größten Schwierigkeiten bereiteten die Kosten für die Pässe, die pro Schützenbruder zwei deutsche Mark betrugen. So nahmen Gangelt, Breberen, Stahe, Hastenrath, Birgden, Schierwaldenrath, Langbroich-Harzelt, ferner alle Selfkant-Bruderschaften aus dem Selfkant mit Süsterseel, Höngen, Hillensberg, Tüddern, Havert, Millen und Schalbruch teil.

Die Begrüßungsansprache des Schützenbruders Franz Pelzer und die Festrede von Landdrost Hubert Dassen wurden begeistert aufgenommen. Und die große Schützengilde und die rund 2000 Besucher merkten schnell, dass der Landdrost nicht so deutschlandfeindlich eingestellt war wie andere Regierungsbeamte.

Ein Jahr später war Süsterseel Ausrichter, dort kämpfte die St. Hubertus Schützenbruderschaft ebenfalls mit leichtem Widerstand, aber auch hier setzte sich der Schützengeist durch und so langsam merkte die Auftragsverwaltung, dass der Vereinsgeist selbst alle Ketten sprengte und sich nicht durch Auflagen verbieten ließ. Das Süsterseeler Dekanatsschützenfest sah zunächst einen heißen Sommertag, am Abend überraschte dann ein Unwetter. Und mit und mit schwanden alle Bedenken der Auftragsverwaltung, so konnten auch die Selfkantbruderschaften „ausreisen“ und an den Dekanatsschützenfesten außerhalb des Selfkantes teilnehmen. (agsb)